Angesichts der jüngsten Enthüllungen über das Ausmaß des Cum-Ex-Steuerbetrugs in Europa und im Hinblick auf das morgige Koordinierungstreffen der Finanzminister Frankreichs und Deutschlands fordert der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament Udo Bullmann die EU-Mitgliedsstaaten auf, in Anbetracht der Europawahlen im nächsten Jahr rasch Fortschritte bei den EU-Steuerdossiers zu machen.
Der S&D Fraktionsvorsitzende Udo Bullmann erklärte:
„Steuerhinterziehung ist ein Verbrechen an der Gesellschaft. Europa kann und darf das nicht dulden. Wir bestehen darauf, dass Cum-Ex, ein Fall von beispiellosem Ausmaß, der letzte Weckruf für die Staats- und Regierungschefs im Rat sein muss, wo zahlreiche Dossiers, die die Steuergerechtigkeit fördern sollen, aufgrund der destruktiven Einstimmigkeitsregel blockiert sind.
Unser Regelwerk zur Besteuerung ist sowohl auf europäischer als auch auf nationalstaatlicher Ebene für das 21. Jahrhundert nicht geeignet. Die Enthüllungen von ‚Korrektiv‘, der Arbeitsgemeinschaft investigativer Journalisten, die den Skandal letzte Woche aufgedeckt hat, zeigt, mit welcher Leichtigkeit gierige Ganoven Schlupflöcher ausnutzen können, während die Steuerbehörden wegschauen.
Die Tatsache, dass Unternehmen im digitalen Dienstleistungsbereich im Durchschnitt 14 Prozentpunkte weniger Steuern zahlen als traditionelle Unternehmen, ist ein weiteres Maß dafür, wie dringend Neuerungen im Regelungsbereich vonnöten sind. Die Finanzminister müssen bei den entscheidenden Steuerdossiers vor den Europawahlen konkrete Fortschritte erreichen.“
Die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament fordert die EU-Finanzminister auf, Vorschläge zur Förderung der Steuergerechtigkeit in Europa vorrangig zu behandeln:
Digitale Dienstleistungssteuer
Wir fordern den Rat auf, spätestens bis Jahresende den Kommissionsvorschlag für eine digitale Dienstleistungssteuer anzunehmen. Bei ordnungsgemäßer Durchführung wird diese Maßnahme sich als wirksame kurzfristige Abhilfe für die aktuelle Ungerechtigkeit erweisen, welche die anormal niedrigen Steuerniveaus im digitalen Dienstleistungsbereich darstellen. Parallel dazu fordern wir die Mitgliedsstaaten auf, auf eine Vereinbarung über den Vorschlag zur signifikanten digitalen Präsenz hinzuarbeiten. Das wäre ein Eckpfeiler einer gerechten und dauerhaften Regelung für die Besteuerung der Digitalwirtschaft.
Finanztransaktionssteuer
So wie digitale Unternehmen muss auch der Finanzsektor mehr tun, um seiner Verantwortung gegenüber der Gesellschaft gerecht zu werden. Zu diesem Zweck müssen die Mitgliedsstaaten, die am Verfahren der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmen, sich auf die Annahme einer Finanztransaktionssteuer einigen. Das fordert das Europaparlament schon seit 2010. Die Notlage, die die Finanzkrise des Jahres 2008 verursachte, hat klar gezeigt, dass schädlichen Spekulationsgeschäften Einhalt geboten werden muss, und dass die Finanzindustrie ihren Beitrag zu den enormen Kosten der Krise leisten muss.
Eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage in der EU
Die Mitgliedsstaaten müssen die Verhandlungen über die Einführung einer EU-weiten gemeinsamen konsolidierten Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage beschleunigen. Wir fordern außerdem einen gemeinsamen effektiven Mindestkörperschaftssteuersatz. Multinationale Unternehmen sollten sich nicht aussuchen können, wo und wieviel sie Steuern zahlen. Sie müssen mit den lokalen Unternehmen unter gleichen Wettbewerbsbedingungen konkurrieren.
Nach Ländern aufgegliederte Rechnungslegung
Mehr Transparenz in Fragen der grenzübergreifenden Besteuerung ist ebenfalls unerlässlich, um sicherzustellen, dass Steuern dort gezahlt werden, wo Gewinne anfallen. Daher fordern wir den Rat auf, die aktuelle Blockade beim Kommissionsvorschlag aus dem Jahr 2016 für eine nach Ländern aufgegliederte Rechnungslegung von multinationalen Konzernen zu beenden und Verhandlungen mit dem Parlament zu beginnen, um eine Vereinbarung zu erreichen, die die großen Akteure zwingt, wichtige Informationen zu veröffentlichen, wie es das Parlament verlangt hat.“