Am nächsten Dienstag stimmt das Europäische Parlament über das Mandat für die Verhandlungen mit den EU-Mitgliedstaaten über die neuen europäischen Kleinanlegerregeln ab. Die Abstimmung erfolgt auf Antrag der Sozialdemokratischen Fraktion, die gegen das Mandat vorgehen will, auf das sich die Konservativen und die Liberalen in Zusammenarbeit mit der extremen Rechten geeinigt haben.*
Nach Ansicht der S&D-Fraktion ist das Mandat zu industriefreundlich und bietet Kleinanlegern nicht den Schutz, der als eigentlicher Zweck des neuen Gesetzes gedacht war. Stattdessen richtet es sich gegen die Interessen der Verbraucher und untergräbt die Kapitalmarktunion, was für die S&D-Fraktion inakzeptabel ist.
Eero Heinäluoma, sozialdemokratischer Verhandlungsführer für das EU-Kleinanlegergesetz, sagte:
„Die Bürgerinnen und Bürger sollten für ihre eigene Rente sparen können, nicht für die Rente ihrer Banker. Deswegen lehnt die S&D-Fraktion die unzulängliche Vereinbarung über die neuen Kleinanlegerbestimmungen ab, die von den Konservativen und Liberalen gemeinsam mit der extremen Rechten ausgehandelt wurde. Diese Einigung würde Kleinanlegern ernsthaft schaden und die Kapitalmarktunion untergraben.
Die Wahl ist einfach: Entweder man schützt die Kleinanleger oder man schlägt sich auf die Seite der extremen Rechten und schützt die Interessen der Banker. Wir fordern die Liberalen und die Konservativen dringend dazu auf, die richtige Entscheidung zu treffen und den Verbraucherschutz zu fördern, Interessenkonflikten in der Finanzberatung eine klare Absage zu erteilen und ihrem Versprechen treu zu bleiben, nicht mit der extremen Rechten zu kooperieren.“
Jonás Fernández, wirtschafts- und währungspolitischer Sprecher der S&D-Fraktion, meinte:
„Die S&D-Fraktion fordert schon seit langem Regeln, die den Menschen dienen und Kleinanlegern Schutz bieten, wenn sie sich finanziell beraten lassen, um ihre Ersparnisse zu sichern oder Geld für den Ruhestand oder als eiserne Reserve anzulegen.
Das neue EU-Kleinanlegergesetz böte die Gelegenheit, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in den Vordergrund zu rücken. Leider wird die endgültige Einigung, die von den Liberalen gemeinsam mit der extremen Rechten ausgehandelt wurde, die bestehenden Geschäftspraktiken nicht grundlegend verändern. Selbst geringfügige, von der Kommission vorgeschlagene Verbesserungen wie das partielle Verbot von Verkaufsanreizen, wurden komplett verworfen. Für unsere politische Gruppierung ist dies nicht hinnehmbar.“**
Hinweis für die Redaktion:
* Im März billigte der Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments den Bericht und das Mandat zu den neuen Kleinanlegerregeln mit der Mehrheit der Konservativen und der Liberalen im Zusammenspiel mit der extremen Rechten. Sofern nicht mindestens 71 Abgeordnete das Ausschussergebnis anfechten, wird dieses zum offiziellen Standpunkt des Parlaments. Die S&D-Fraktion hat sich gegen das Mandat ausgesprochen, weshalb es voraussichtlich am Dienstag zu einer Abstimmung im Plenum kommt.
** Die meisten Finanzberater in Europa erhalten statt einer transparenten Beratungsgebühr Anreize in Form von Verkaufsprovisionen, wenn sie ihren Kunden bestimmte Anlageprodukte empfehlen. Dies führt zu einer voreingenommenen Finanzberatung, bei der Produkte empfohlen werden, die eine höhere Provision abwerfen.
Die S&D-Fraktion setzt sich schon lange für ein vollständiges Verbot dieser einseitigen Finanzberatung ein, also für ein Verbot finanzieller Anreize, wie es in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich bereits existiert. Dies wäre die effektivste Maßnahme, um potenzielle Interessenkonflikte zu vermeiden, Kleinanleger zu schützen und sicherzustellen, dass die Finanzmärkte wirklich für die Menschen arbeiten. Dies wird auch durch die eigene Folgenabschätzung der Kommission bestätigt.
Im Mai letzten Jahres schlug die Europäische Kommission nach intensiver Lobbyarbeit der Industrie zumindest ein partielles Verbot von Verkaufsprovisionen bei beratungsfreien Verkäufen vor. Dies wäre das absolute Minimum, um den mangelhaften Status quo zu verbessern.
Stattdessen entfernte Stéphanie Yon-Courtin, die liberale Berichterstatterin für das Gesetzesvorhaben, mit Unterstützung der Konservativen und der extremen Rechten dieses Teilverbot komplett aus dem Mandat des Parlaments und verwässerte viele andere im Vorschlag der Kommission enthaltene Schutzvorkehrungen.
Selbst die für die Kapitalmärkte zuständige Kommissarin Mairead McGuinness, die den Gesetzesvorschlag vorgelegt hatte, zeigte sich öffentlich über das Ergebnis im Europäischen Parlament enttäuscht.