Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat gezeigt, dass es nicht besonders klug ist, wenn die EU von angreifbaren Nachbarländern umzingelt ist. Diese Erkenntnis hat dazu geführt, dass weitere EU-Regierungen und politische Kräfte auf unsere Linie eingeschwenkt sind. Das Jahr 2022 brachte einige wichtige Fortschritte: Erstens stimmten die EU-Mitgliedsstaaten nach jahrelangem Drängen des Europäischen Parlaments endlich Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien zu, nachdem im Rahmen des Prespa-Abkommens eine Lösung für die Benennung der früheren jugoslawischen Republik Mazedonien gefunden wurde. Beide Länder werden von Schwesterparteien der S&D-Fraktion regiert. Zweitens wurden mit unserer tatkräftigen Unterstützung auch die Ukraine und Moldau sowie Bosnien und Herzegowina aufgrund des russischen Angriffskriegs zu Beitrittskandidaten. Sowohl Georgien als auch Kosovo beantragten Kandidatenstatus, zudem wurde dem Kosovo Visafreiheit gewährt. Darüber hinaus haben die EU-Staats- und -Regierungschefs im Dezember 2023 den historischen Beschluss gefasst, mit der Ukraine, der Republik Moldau sowie Bosnien und Herzegowina Beitrittsgespräche aufzunehmen, sobald diese die Schlüsselkriterien erfüllen, und Georgien Kandidatenstatus zu verleihen.
Die S&D-Fraktion hat Länder, die der EU beitreten möchten, stets eindeutig unterstützt und allen EU-Regierungen und politischen Kräften Widerstand geleistet, die versuchen, eine weitere EU-Erweiterung zu blockieren. Wir sind der Ansicht, dass Kandidatenländern geholfen werden muss, die notwendigen internen Reformen durchzuführen, um die Anforderungen für einen EU-Beitritt zu erfüllen. Das heißt im Umkehrschluss: Kein Beitritt, ohne dass die Anforderungen erfüllt sind.
Angesichts der geopolitischen Lage sollte Drittländern, die auf dem Westbalkan operieren, mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. In diesem Zusammenhang muss die Anpassung der Kandidatenländer auf dem Westbalkan an die Außen- und Sicherheitspolitik der EU Priorität genießen. Ein Beitritt schließt ein Bekenntnis zu europäischen Normen und Werten innerhalb sowie außerhalb der EU mit ein.
Die S&D-Fraktion befürwortet das Beitrittsgesuch Serbiens, ist aber weiterhin in Sorge über die demokratische Legitimation des Landes. Montenegro, das alle Verhandlungskapitel eröffnet hat, war im letzten Jahr durch politische Instabilität gelähmt.
Im Hinblick auf die Türkei sind wir der Ansicht, dass das Parlament ohne klare und signifikante Fortschritte im Bereich der Rechtsstaatlichkeit keine Wiederaufnahme der Beitrittsverhandlungen, die seit 2018 praktisch zum Erliegen gekommen sind, ins Auge fassen kann. Nach den türkischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2023 empfahl die S&D-Fraktion, einen Denkprozess einzuleiten, um einen realistischen Parallelrahmen für die Beziehungen der EU mit der Türkei zu entwickeln.